Ein flotter Abend mit viel Liebe, nackter Haut und Affären (und trotzdem kam niemand zu Schaden) (2001)

Die diesjährige Spielzeit der deutschen Abteilung des Hermannstädter „Radu Stanca“-Theaters wurde am 2. Oktober mit einer ungewohnt leichtfüßigen und rasanten Inszenierung eingeläutet. Gespielt wurde Dario Fos Einakter „Der Dieb, der nicht zu Schaden kam“. Dario Fo ist als Dramaturg kein Unbekannter (Literaturnobelpreis 1997), mir persönlich in (nicht immer guter) Erinnerung mit zwei Merkmalen: Einmal das immer präsente sozialkritische Element und sein manchmal wunderliches Verständnis von Humor (das ansonsten vorwiegend in italienischen Komödien der 70er Jahre begegnet). Ich zumindest kann mir gut das Schenkelklopfen verkneifen, wenn sich auf der Bühne der Kopf gestoßen oder das Sitzmöbel verpasst wird. Natürlich kann man dies als typische Elemente der Commedia dell’arte bezeichnen, lustiger wird es damit aber nicht.
Die junge Regisseurin Alexandra Gandi wählte jedoch einen anderen Weg, indem sie den Frontalangriff inszenierte und so den Vorwurf der Albernheit ins Leere laufen lässt. Wenn der Hausherr z.B. seine Geliebte kurz fragt: „Piccolo?“ und sie ihm antwortet: „Piccolo!“, was mehrfach wiederholt wird um in eines der wohlbekannten italienischen Poplieder („Piccolo amore“) zu münden, dann muss man neidlos zugestehen, dass es auf eine seltsame Art unglaublich doof und zugleich wiederum auch sehr lustig ist. Es gibt einige Gesangseinlagen in dem Stück, die alle nach dem beschriebenen Muster funktionieren und dem ganzen Abend eine leichte, verspielte, manchmal alberne, insgesamt aber äußerst unterhaltsame Nuance (wie sich an den Reaktionen des Publikums zeigte) verleihen. Das bunte Bühnenbild mit den aufblasbaren transparenten Sitzgelegenheiten unterstreicht dabei die verspielte Leichtigkeit der ganzen Inszenierung. Die Handlung des Stückes ist die einer typischen Verwechslungskomödie im Boulevardtheaterstil, d.h. mit Situationskomik, leichten Anzüglichkeiten und Lügengeschichten, insgesamt gut vorhersehbar, so dass man sich voll auf das situative Spielen der Darsteller konzentrieren kann ohne Gefahr zu laufen, dem Handlungsverlauf nicht mehr folgen zu können:
Ein Dieb (Franz Kattesch) bricht nachts in eine Wohnung ein, nicht ohne seiner Frau vorher genau die Adresse geben zu haben. Diese (Monika Dandlinger) ruft natürlich an (in der Inszenierung großartig gelöst durch eine Ecke der Wohnzimmerkulisse, die als dunkles Seitenfenster fungiert und beim Telefongespräch schwach erleuchtet die Ehefrau zeigt), worauf sich die üblichen Eheleute-Streitgespräche ergeben. Der Dieb wird vom Hausherrn (Georg Potzolli) und seiner Geliebten (Johanna Adam) gestört, kann sich aber in der Standuhr verstecken, wo er dann das weitere Geschehen beobachtet, bis er schließlich entdeckt wird.
Später wird die Ehefrau des Diebes noch einmal anrufen und weitere Personen werden hinzukommen: Maria (Renate Müller-Nica) und Antonio (Roger Parvu), deren Funktion hier nicht verraten sei (es versteht sich aber von selbst, dass auch diese Figuren verheiratet sind und eine Affäre haben). Wie gesagt, nichts Neues und niemand hatte wohl im Theater den Eindruck, dass die Regisseurin dem Publikum etwas Nachdenkenswertes oder gar Lebenswichtiges mitteilen wollte, außer vielleicht: „Die Deutsche Abteilung des Radu-Stanca Theaters ist wieder da und will – verdammt nochmal - unterhalten!“ Dieser Wunsch ist jedenfalls in Erfüllung gegangen, gelangweilt hat sich sicher niemand, und viel zu schnell war dann alles vorbei. Die Schlusspointe war vielleicht etwas lahm, der Applaus für die glanzvolle Leistung des Hermannstädter Ensembles unter der Leitung Alexandra Gandis dann jedoch wohlverdient stürmisch und anhaltend.

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