"Many rivers to cross" oder: Die Dreigroschenoper in Hermannstadt (2004)
Am Dienstag, dem 30. März 2004 hatte die Dreigroschenoper Premiere im Radu-Stanca-Theater in Hermannstadt. Selten für eine deutsche Inszenierung gab es an diesem Abend mehr Besucher als Kleiderbügel an der Garderobe: KlassenkollegInnen, stolze Eltern und die üblichen Verdächtigen bei deutschen Premieren in Hermannstadt (den Rezensenten natürlich eingeschlossen). Der geneigte Leser kann diesem Präludium unschwer entnehmen, dass es sich um keine gewöhnliche Inszenierung der deutschen Abteilung des Radu-Stanca Theaters handelte. Vielmehr konnten die Zuschauer dem Ergebnis einer jetzt schon vier Jahre währenden Kooperation zwischen dem Brukenthallyzeum und Franz Kattesch, Schauspieler des Radu-Stanca Theaters und des Deutschen Staatstheaters Temeswar, beiwohnen. Seit 1999 gibt es für die Schüler und Schülerinnen des Brukenthallyzeums die Möglichkeit, Schauspiel als Wahlpflichtfach zu wählen. Eine spannende Alternative zum üblichen Lehrplan, zweifelsohne, darüber hinaus aber die Gelegenheit, Lust, Liebe und Leidenschaft für das Theater zu entwickeln, womit dann auch zukünftige Regisseure, Schauspieler oder doch zumindest Zuschauer rekrutiert werden können.
Was diesmal auf dem Lehrplan stand war sicherlich mehr als nur eine Fingerübung. Verlangt wurde nämlich mehr, als normalerweise für das Theater üblich ist. Und auch das kann schon an die Grenzen eines Muttersprachlers führen. Wer schließlich beherrscht die Phonetik seines Landes fehlerfrei und auf der Spitze seiner Zunge? Bei Brecht reicht das aber nicht. Es muss neben dem Sprechen auch gespielt werden, und zwar anders als im klassischen Theater, nämlich „episch“. Bei Brecht meint das, die Rolle brechend, persiflierend, quasi über sie hinausschauend. Das klingt nicht nur schwer, das ist es auch. Aber, selbst damit ist man noch nicht am Ende angekommen. Die Dreigroschenoper verlangt nämlich obendrein noch das Singen. Mit Text. Der verstanden werden soll. Die Musik dazu allerdings ist auch nicht harmonisch und klar, sondern vielmehr das genaue Gegenteil davon.
Mit anderen Worten: Der Aufgaben waren viele an diesem Abend. Und mindestens so vielfältig wie die Aufgaben waren die Protagonisten des Abends jung an Jahren und an schauspielerischer Erfahrung. Doch, was soll man sagen? Auch wenn nicht jede Hürde ohne Stolpern überwunden werden konnte (welcher Ignorant hätte das auch erwartet, erwarten können?), so kann man doch mit Gewissheit sagen: Die Schauspieltruppe, die Franz Kattesch für diese Inszenierung auf den die-Welt-bedeutenden-Brettern um sich versammelt hat, war in der Lage, das Publikum in Bann zu halten und den Abend zu einem gelungenen zu machen. Und diese Aussage ist nicht dem Alter der Protagonisten und dem Respekt gegenüber der Leistung geschult, sondern vielmehr: Dem großartig agierenden „Peachum“, der die Rolle des Ganoven nicht nur in der Prosa, sondern auch im vorgetragenen Gesang überzeugend und souverän dargeboten hat. Gleichfalls seiner Tochter „Polly“, die schauspielerisch definitiv, im Gesang fast immer überzeugen konnte. Dem faszinierenden „Tiger Brown“, der offenbar ein Kenner der hiesigen Polizei-Akademie ist, alle Absolventen aber allein mit seiner Uniform weit in den Schatten stellt. Der ewig krakeelenden Gattin Peachums, dem Heer an Bettlern und Huren des Abends, dem Mut Mäcky Messers, auch mit zuviel „Klingen“ in der Stimme an vorderster Front zu agieren und den Zuschauern und Fräuleins dieser Welt Paroli zu bieten (= im übrigen ein probates Mittel gegen kratzigen Hals in Extremsituationen!). Und überhaupt: Dem Mut und der Lust der Schülerinnen und Schüler des Brukenthallyzeums, diesen Kreuzweg des Leidens auf sich zu nehmen, um hinterher die säuerliche Kritik eines älteren – obendrein ausländischen – Rezensenten zu vernehmen. Ich habe auch nur den Mut das zu schreiben, weil ich weiß, dass es nichts Größeres für einen Lyzeaner, eine Lyzeanerin gibt, als in der Öffentlichkeit einmal als Lude oder als leichtes Mädchen zu agieren. Genießt das, und werdet später Anwalt, Arzt oder Manager. Danke Euch und danke dem armen Herrn B. Für die Inspiration, und für den Abend.
P.S.: Peinlich fast, doch anzumerken sicherlich niemals zu spät: Die Hermannstädter Stadtmusikanten unter Kurt Philippi hat nicht nur ganze Arbeit geleistet, nein, ohne sie wäre der Abend eindeutig unharmonischer verlaufen!
Was diesmal auf dem Lehrplan stand war sicherlich mehr als nur eine Fingerübung. Verlangt wurde nämlich mehr, als normalerweise für das Theater üblich ist. Und auch das kann schon an die Grenzen eines Muttersprachlers führen. Wer schließlich beherrscht die Phonetik seines Landes fehlerfrei und auf der Spitze seiner Zunge? Bei Brecht reicht das aber nicht. Es muss neben dem Sprechen auch gespielt werden, und zwar anders als im klassischen Theater, nämlich „episch“. Bei Brecht meint das, die Rolle brechend, persiflierend, quasi über sie hinausschauend. Das klingt nicht nur schwer, das ist es auch. Aber, selbst damit ist man noch nicht am Ende angekommen. Die Dreigroschenoper verlangt nämlich obendrein noch das Singen. Mit Text. Der verstanden werden soll. Die Musik dazu allerdings ist auch nicht harmonisch und klar, sondern vielmehr das genaue Gegenteil davon.
Mit anderen Worten: Der Aufgaben waren viele an diesem Abend. Und mindestens so vielfältig wie die Aufgaben waren die Protagonisten des Abends jung an Jahren und an schauspielerischer Erfahrung. Doch, was soll man sagen? Auch wenn nicht jede Hürde ohne Stolpern überwunden werden konnte (welcher Ignorant hätte das auch erwartet, erwarten können?), so kann man doch mit Gewissheit sagen: Die Schauspieltruppe, die Franz Kattesch für diese Inszenierung auf den die-Welt-bedeutenden-Brettern um sich versammelt hat, war in der Lage, das Publikum in Bann zu halten und den Abend zu einem gelungenen zu machen. Und diese Aussage ist nicht dem Alter der Protagonisten und dem Respekt gegenüber der Leistung geschult, sondern vielmehr: Dem großartig agierenden „Peachum“, der die Rolle des Ganoven nicht nur in der Prosa, sondern auch im vorgetragenen Gesang überzeugend und souverän dargeboten hat. Gleichfalls seiner Tochter „Polly“, die schauspielerisch definitiv, im Gesang fast immer überzeugen konnte. Dem faszinierenden „Tiger Brown“, der offenbar ein Kenner der hiesigen Polizei-Akademie ist, alle Absolventen aber allein mit seiner Uniform weit in den Schatten stellt. Der ewig krakeelenden Gattin Peachums, dem Heer an Bettlern und Huren des Abends, dem Mut Mäcky Messers, auch mit zuviel „Klingen“ in der Stimme an vorderster Front zu agieren und den Zuschauern und Fräuleins dieser Welt Paroli zu bieten (= im übrigen ein probates Mittel gegen kratzigen Hals in Extremsituationen!). Und überhaupt: Dem Mut und der Lust der Schülerinnen und Schüler des Brukenthallyzeums, diesen Kreuzweg des Leidens auf sich zu nehmen, um hinterher die säuerliche Kritik eines älteren – obendrein ausländischen – Rezensenten zu vernehmen. Ich habe auch nur den Mut das zu schreiben, weil ich weiß, dass es nichts Größeres für einen Lyzeaner, eine Lyzeanerin gibt, als in der Öffentlichkeit einmal als Lude oder als leichtes Mädchen zu agieren. Genießt das, und werdet später Anwalt, Arzt oder Manager. Danke Euch und danke dem armen Herrn B. Für die Inspiration, und für den Abend.
P.S.: Peinlich fast, doch anzumerken sicherlich niemals zu spät: Die Hermannstädter Stadtmusikanten unter Kurt Philippi hat nicht nur ganze Arbeit geleistet, nein, ohne sie wäre der Abend eindeutig unharmonischer verlaufen!
Ambulito - 3. Jun, 18:08