(Love and...) Die Liebe und die Beutelschneiderei (...can’t get one without the other!) (2002)

Endlich ist er da, der Frühling. Die Sonne wärmt uns die Kopfhaut und das Herz, die Hormone und die Stimmung steigen und so mancher wird tollkühn. So ist auch dem Verfasser dieser Zeilen ergangen, allerdings begann das Abenteuer bereits vor einiger Zeit. Wohl in einem Moment geistiger Umnachtung entschloss er sich, in Rumänien den heiligen Bund der Ehe zu schließen. Das es nicht einfach ist, den richtigen Menschen fürs Leben zu finden und die Liebe wachsen und gedeihen zu lassen, ist sicherlich richtig, doch davon soll hier keineswegs die Rede sein. Hier geht es vielmehr um die wahnwitzige Kühnheit, den todesverachtenden Mut, den es braucht, um die Hindernisse aus dem Weg zu schaffen, die einem von hochoffiziellen Stellen zwischen die Beine und vor den Gang zum Standesamt geworfen werden. Hätte ich damals gewusst, was ich heute weiß, dann ich weiß nicht, ob ich noch einmal den Mut und die Kraft aufbringen würde, es zu tun. Werfen wir aber zunächst einen Blick zurück: Zwei Menschen, einer Deutscher, einer Rumäne (dabei heterosexuell) entschließen sich zu heiraten. Der Deutsche informiert sich bei seiner Landesvertretung und erfährt dort, was er benötigt: Zuallererst ein sogenanntes Ehefähigkeitszeugnis. Das er fähig ist, weiß er und wurde ihm mehrfach (will nicht angeben und sagen: allabendlich) von seiner Partnerin bestätigt, doch das tut hier nichts zu Sache. Es gehe vielmehr darum zu beweisen, dass man weder verwandt noch verschwägert sei mit seiner Zukünftigen und auch nirgendwo sonst eine Ehefrau hat. Dafür benötigt man: Von der Zukünftigen eine Internationale Geburtsurkunde, die vom Rumänischen Außenministerium mit beglaubigt ist oder, wie der Fachmann sagt, mit einer Apostille (schon mal gehört?) versehen ist. Hört sich einfach an, doch wer hat schon einmal mit einer großen Rumänischen Behörde zu tun gehabt? Dann braucht man noch eine Abschrift aus dem elterlichen Familienstammbuch und seine eigene Geburtsurkunde. Außerdem braucht man für das Ehefähigkeitszeugnis eine Ledigkeitserklärung der Zukünftigen, welche diese aber nur vor einem rumänischen Notar machen darf. Das ist aber wohl nicht immer so, denn häufig würden solche Erklärungen auch beim Konsulat gemacht und beim deutschen Standesamt akzeptiert. Das Standesamt des Verfassers hat dieses nicht anerkannt, was er zum Glück vor seiner Reise nach Deutschland erfahren konnte. Das deutsche Standesamt hat sich dann als freundliche, aber nicht immer sofort hilfsbereite Behörde erweisen. Stolz alle Unterlagen präsentierend zeigte der deutsche Beamte auf die Internationale Geburtsurkunde der Zukünftigen und meinte trocken: „Das müssen Sie aber noch übersetzen lassen!“ Als der Verfasser darauf hinwies, dass es sich doch um ein internationales Dokument handele, was dreisprachig verfasst sei, ließ er sich erweichen und verstand schließlich auch.
Mit dem Ehefähigkeitszeugnis kommt man also stolz aus Deutschland zurück und geht zum Rathaus, um sich nach weiteren Papieren zu erkundigen. Da heißt es dann: Die Geburtsurkunde im Original, als beglaubigte Kopie und mit notarieller Übersetzung. Klingt auch erst einmal einfach, doch erfährt man beim ersten Notar, dass ein rumänischer Notar keine beglaubigte Kopie einer ausländischen Urkunde anfertigt (oder anfertigen kann oder darf). Mit Hilfe des Rathauses findet man aber schließlich einen Notar, der keine Skrupel hat und die Kopie beglaubigt. Dann benötigt man eine Erklärung des Konsulats, dass keine Bedenken vorliegen und man heiraten dürfe. Für diese Erklärung sollte man jedoch auf keinen Fall nur seinen Personalausweis zu Identifizierung bei der deutschen Behörde mitbringen, weil das von der rumänischen nicht akzeptiert wird. Das bedeutet ein weiterer Weg. Als nächstes braucht man dann noch seinen Reisepass und eine Kopie davon, seltsamerweise ohne Beglaubigung! Die Zukünftige muss in der Stadt (bzw. in dem Kreis) gemeldet sein, in dem man heiraten möchte, sonst geht es nicht. Wenn es keine guten Freunde gibt, die da aushelfen, sieht es schlecht aus, denn welcher Vermieter ist so ohne weiteres bereit, einen weiteren Mieter anzumelden? Gottseidank gibt es ja die guten Freunde und ein „Visa de Flotant“ ist beschafft.
Damit ist der Kreuzweg aber noch lange nicht zu Ende, denn jetzt wird es richtig spannend: Das rumänische Gesetz verlangt Gesundheitszeugnisse von den zukünftigen Eheleuten. Diese dürfen zum Zeitpunkt der Hochzeit nicht älter als 14 Tage sein, somit bleibt nicht viel Zeit. Im Gesundheitszeugnis wird bestätigt, dass das Ehepaar in spe weder syphilitisch noch tuberkulös ist. Dafür muss man zum staatlichen Krankenhaus, eine spezielle Stelle, die auch gar nicht so einfach zu finden ist. Sobald dort aber ein Ausländer auftaucht, kommt für kurze Zeit Leben in die sonst eher scheintot wirkenden Gestalten. „Haben Sie schon bezahlt?“ schallt es dem verliebten Ausländer entgegen, und nach erneuter Suche und dem Aufscheuchen mehrerer mürrischer und gerade bei der Brotzeit befindlicher Damen in ihrem Büro zahlt der rumänische Teil seine 10.000 Lei Gebühren, der ausländische Teil 1.000.000 Lei. Was? Na ja, so ist es nun mal. Man kehrt zurück, erhält Formulare und sucht sich Stellen, wo die Untersuchungen gemacht werden können. Für die Lungenaufnahme gibt es leider nur eine staatliche Stelle in Hermannstadt, die Blutuntersuchung macht aber auch eine private Klinik. Am nächsten Tag in aller Früh und mit nüchternem Magen geht es dann zuerst zum Aderlass. Dort ist man freundlich und professionell bei der Arbeit, die Ergebnisse können am selben Tag abgeholt werden, und die Kosten sind überschaubar (55.000 Lei für jeden). Bei der Lungenklinik ertönt unfreundlich die bekannte Frage: „Haben Sie schon bezahlt?“ und nach Vorlage der Quittung wird es auch nicht freundlicher, da man nur in der Polyklinik, nicht aber in der Lungenklinik bezahlt hat. Dort dann wieder die übliche Prozedur, einmal 10.000 Lei, einmal 1.000.000 und etwas Lei, anschließend geht es wieder hinein in die folterkammerartigen Gewölbe der Röntgenklinik. Die Frau, welche die Aufnahme macht, ist dann überraschend nett, was den Verfasser zu der Überzeugung bringt, das alle staatlichen Angestellten, Sekretärinnen und Vorzimmerdamen monatlich mindestens zweimal geröngt werden sollten, da Röntgenstrahlen offensichtlich menschlicher machen.

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